Stillstand wegen Corona? Für Kläranlagen keine Option!
Die Reinigung des Abwassers aus den privaten Haushalten zum Schutz unserer Gewässer gehört zu den systemrelevanten Aufgaben in unserer Gesellschaft. Das gilt umso mehr in Zeiten der Corona-Krise, in denen das Leben in vielen Bereichen von Stillstand geprägt ist. In der öffentlichen Wahrnehmung stehen derzeit andere Dienstleistungen eher im Vordergrund. Gleichwohl leistet das zuverlässige Funktionieren der Abwasseranlagen einen ganz maßgeblichen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Umweltschutzes.
Wir haben Harald Weiß – Chef der Kläranlage Saarbrücken-Burbach, der größten der rund 140 EVS-Kläranlagen – gefragt, wie die wichtige Abwasserinfrastruktur unter den aktuell erschwerten Bedingungen am Laufen gehalten wird.
EVS-Blog: Herr Weiß, die Corona-Krise führt bekanntlich in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zu spürbaren Einschränkungen. Welche Unterschiede gibt es beim Betrieb der Abwasseranlagen im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten?
Harald Weiß: Es hat sich Vieles geändert. Das betrifft insbesondere die Organisation der anfallenden Arbeiten. Sorgfalt beim Arbeitsschutz, um eine Ansteckung mit dem Virus zu vermeiden, hat natürlich oberste Priorität. Gesundes Betriebspersonal ist die Voraussetzung für reibungslose Abläufe auf der Kläranlage.
Daher wurden die ohnehin geltenden strengen Hygienevorgaben und -maßnahmen nochmals verschärft und zusätzlich Regeln zum Mindestabstand eingeführt. Das konsequente Einhalten von Sicherheitsabständen ist aber in der Praxis gar nicht so leicht. Üblicherweise gehört das gemeinsame Durchführen von Arbeiten schlicht zur Normalität. Das hat zum einen rein praktische Gründe und ist zum anderen auch sicherheitsrelevant.
Bei Autofahrten, wenn mehr als eine Person im Auto sitzt, muss jetzt jede(r) Mitarbeiter(in) zwingend eine Schutzmaske tragen. Die Pausen haben wir in einen größeren Raum verlegt, damit das Personal den notwendigen Abstand einhalten kann.
EVS-Blog: Hat die Corona-Krise auch Auswirkungen auf die Einteilung der MitarbeiterInnen?
Harald Weiß: Auf jeden Fall. Das Erstellen von Schichtplänen nimmt aktuell sehr viel Zeit in Anspruch, alles musste umgeschrieben werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden in Teams aufgeteilt, arbeiten jetzt in getrennten Schichten. Ein Teil der Mannschaft arbeitet wie gewöhnlich auf der Anlage, der andere Teil befindet sich zuhause in Arbeitsbereitschaft.
Eine Reservemannschaft muss unbedingt vorgehalten werden. Stellen Sie sich vor, eine Kollegin oder ein Kollege würde sich mit dem Corona-Virus anstecken und für alle anderen hieße es dann „Ab in Quarantäne“. Das geht auf keinen Fall, denn die Kläranlage muss ununterbrochen arbeiten. Deshalb muss im Fall der Fälle eine komplette Notbelegschaft zur Verfügung stehen können, um den Betrieb aufrecht zu erhalten.
Zudem ist natürlich darauf zu achten, dass in den jeweiligen Teams auch alle Berufsgruppen vertreten sind. Beispielsweise macht es keinen Sinn, sechs Schlosser in einer Schicht einzusetzen, aber keinen Elektriker. Auch Aufgaben der Mess- und Regeltechnik müssen jederzeit erledigt werden können und genauso muss das Labor besetzt sein.
EVS-Blog: Der Arbeitseinsatz Ihrer MitarbeiterInnen beschränkt sich nicht nur alleine auf die Kläranlage. Wie sieht es mit der Kontrolle der Kanäle, Pumpwerke etc. aus?
Harald Weiß: Aus Sicherheitsgründen werden solche Tätigkeiten immer von zwei KollegInnen durchgeführt. Ein Zurückschrauben der Kontrollfrequenz können wir uns nicht leisten. Es muss stets gewährleistet sein, dass es nicht zu Verstopfungen im System kommt.
EVS-Blog: Wie sieht derzeit auf der Kläranlage der Umgang mit Fremdfirmen aus?
Harald Weiß: Auch was das betrifft, ist nichts mehr so wie sonst. Potenzielle Infektionswege gilt es zu unterbinden. Der Betrieb einer Kläranlage kann aber nicht ohne Fremdfirmen funktionieren – sei es die Lieferung von Ersatzteilen, Hygieneartikeln und Betriebsmaterialien oder beispielsweise die Abholung von entwässertem Schlamm – all‘ das muss weiterlaufen. Die notwendigen Abstandsregeln erschweren aber leider die sonst selbstverständliche Unterstützung für das externe Personal bei dessen Arbeiten auf der Kläranlage.
Das Ausstellen von Lieferscheinen und die Unterweisung von Personal haben wir soweit machbar digitalisiert, um hier die „Berührungspunkte“ zu reduzieren.
EVS-Blog: Kommen wir zum Schluss noch zum unerfreulichen Thema „Klopapier-Alternativen“ und den Folgen für die Abwasseranlagen…
Harald Weiß: Vermeintliche Alternativen zu Toilettenpapier – also Feuchttücher, Küchenkrepp & Co. – sind wegen der dadurch entstehenden Verstopfungen generell und in Zeiten von Klopapier-Hamstereinkäufen ganz besonders ein großes Problem für das gesamte Abwasser-System. Das bestätigen die Kollegen auf den Kläranlagen saarland- und bundesweit.
EVS-Blog: Vielen Dank, Herr Weiß, für die umfangreichen Eindrücke und Informationen zum aktuell erschwerten Betrieb der Abwasseranlagen.
Weitere Infos zu Abwasserreinigung und Abfallentsorgung in Zeiten der Corona-Krise erhalten Sie auch hier unter folgenden Links:
Corona-Pandemie: Belastungsprobe für Mensch und Maschine
Interview mit CityRadio Saarland
Guter Beitrag zum Thema Kläranlage. Es stimmt, dass die Mitarbeiter aufgrund von Corona nicht einfach so die Arbeit einstellen können, da sauberes Wasser systemrelevant ist. Ich habe großen Respekt vor den Arbeitern in Kläranlagen.